LYRIK
friedhof
die sonne
scheint nachmittags
bereits schräg
auf die erde,
von den bäumen ringsum
segeln langsam
einzelne braune blätter herunter,
es ist still -
der erste herbst ohne dich
***
bald fallen die kastanien
von den bäumen,
danach das laub...
tagsüber
ist es noch sommerwarm,
abends rötet sich
der himmel,
es dunkelt früher
und wird nachts kälter -
das jahr vergeht:
schon herbstanfang
***
verschiedene braune
anheimelnde
herbstfarben -
er nimmt die jahreszeit vorweg:
der jaspis
in meiner hand
draußen
schon länger
trübes wetter,
regen, windig und kühl,
es wirkt bereits so,
als würden die blätter
gleich fallen wollen,
dabei sind sie noch grün -
es ist ja
gerade erst
anfang september
trauerfeier
stille,
blumen, kerzen und weihrauch,
cello- und violamusik,
bewegende worte
und raum für
eigenes gedenken
die leerstelle bleibt jetzt
die serie
gleiche machart, nur
unterschiedliche farben,
doch der eindruck
beim betrachten
eines jeden bildes
variiert
***
wenn ich
einen engel auf erden
hätte benennen sollen,
hätte ich zu lebzeiten
dich
genannt
für die ältere blumenfreundin in memoriam
mit begeisterung
habe ich lange für dich draußen
gemäß den jahreszeiten,
was so alles blüht, fotografiert
und dir die fotos geschickt,
damit du wusstest,
was sich im freien tut,
als du kaum mehr
aus dem haus gehen konntest,
und mich gefreut,
wenn du dich darüber freutest
jetzt bist du nicht mehr da
und der fotoapparat
fragt mich, was ich nun mache...
d. k. - ein letzter gruß
sonniger sonntag
und kirchenglockengeläut -
es ist mittagszeit
gedenken an dich
deine seele
ist nun davongeflogen -
wir sind hier einfach so
übrig geblieben -
ohne die übliche mail ist jetzt
jeder sonntag leer
aber
danke
für alles!
was bleibt?
stille traurigkeit und
nur die erinnerung
und auch die
verblasst
im lauf der zeit
aber
danke
für alles!
herbst-haiku
so hoch fliegende
drachen und kindergeschrei
über dem stoppelfeld
auf der fensterbank
zwischen sansevieria und philodendron
wächst ganz munter vor sich hin
mit schönen grün-weißen blättern
die dieffenbachie
***
heute
ist offensichtlich
immens viel los -
ständig tönen
martinshörner
***
es wird nun schon früher dunkel,
regenmüde
senkt sich der nasse tag hernieder
und entlässt seine kinder
in den schlaf
spätsommer (2 haiku)
spiegelung des lichts -
kohlweißlinge flattern im
schmetterlingsflieder
kaputte ernte
der uralte pflaumenbaum
spaltet sich und seufzt
beobachtung am fluss
wie unruhig
über den steinen
am anderen ufer
die luft in der hitze flirrt
abenddämmerung (2 haiku)
der tag neigt sich, schon
leise straßengeräusche -
noch zwitschern vögel
zwei mücken summen
um die brennende kerze
auf dem balkontisch
die alte frau
leicht gebeugt am stock,
schlurfende schritte,
sonnenbrille,
gemurmel,
langsam überquert sie
die stille straße
auf ihrem weg
ins nirgendwo
erfrischung
dick stehende heiße luft im zimmer
und plötzlich im eck entdeckt:
ein leise surrender ventilator
auf reisen (1)
gewichtige bronzefiguren
als wasserspeier -
der brunnen
mitten in dieser stadt
läuft fast über
auf reisen (2)
geschichtsvergessen
im schatten
der ausladenden statue
spielende kinder
erinnerungsstücke
in der zimmerecke:
ein einfacher holzklappstuhl,
um auf spaziergängen
sich auszuruhen
und eine zigarre zu rauchen,
darauf die alte braune hutschachtel
mit seiner melone -
aber
jetzt nur noch ein stilleben:
die dinge des urgroßvaters
***
lauter hochgewachsene
und gleiche blütenköpfe,
alle in eine richtung gedreht:
das sonnenblumenfeld
***
mitten im hohen gras
immer noch
rot leuchtende inseln
voller mohnblumen
sommerhitze - genuss
farbenfroh in der waffeltüte
in der hand und
wunderbar schmelzend
im mund:
leckere eiscreme
spathiphyllum
dichte blätter in grün – und
ganz weiß sticht heraus
der kolbige blütenstand
***
seitlich neben der dunklen betontreppe versteckt
blinzeln vorsichtig hervor
kleine blau-lila glockenblumen
***
zuerst ein schweigsamer
schwarzgekleideter trauerzug,
danach eine lebhafte
bunt angezogene kindergartengruppe
binnen zwei minuten
mir entgegenkommend
auf dem weg zur u-bahn:
welche lebensunterschiede!
echte weisheit
in den großen lebensteppich
zwischen all den alltags-fäden,
knoten und fransen
in lebendigem muster
eingewebt: humor
sommer
die hitze schält sich
aus dem morgengrauen
wo bleibt das gewitter?
***
ein tag vergeht
und der nächste kommt
wie die wolken ziehen
am himmel
so selbstverständlich
sind diese abläufe -
mögen sie gesegnet sein
wunsch
auf dem herz
aus olivenholz,
gefertigt in bethlehem,
steht
in verschiedenen sprachen
das wort
frieden
es wirkt
so klein und verletzlich
wie die realität,
in der es alles andere gibt,
nur nicht
wirklichen
frieden
caspar david friedrich: schwäne im schilf
orangeroter himmel und
mitten im dunklen röhricht
geschickt verborgen: weiße
federbüschel und zwei lange hälse
***
plötzlich viele lilafarbene
blütentrauben am rankgerüst -
die zeit des blauregens
zeit zum spazierengehen
wärmender sonnenschein,
blühende bäume
und lautstark vielstimmiges
vogelgezwitscher
lächeln in den entspannten
gesichtern der menschen -
es ist frühling!
noa in concert
beieindruckend mitreißend:
gesangskaskaden
und percussionsolos
im
wirbelwind auf der bühne
sehr sympathisch präsent
die friedensbotschafterin
und begeisterter applaus
gestorben
kürzlich noch
ein paar freundliche worte
eben gut nachbarschaftlich
und plötzlich
ist gleichsam die zeit
still stehengeblieben
(obwohl sie für andere weitereilt)
und eine lücke tut sich auf,
die sich nie mehr füllt
nebenan
***
kleine lila tupfen mitten im rasen -
nach dem frühlingsregen
weinen sie noch immer:
die ersten veilchen
franz von stuck: der teufel
vor blau-schwarzem hintergrund
gebeugt sitzt er abwartend da
das kinn auf die linke hand gestützt
und schaut den betrachter herausfordernd an
mit durchdringendem blick
aus leuchtend schwefelgelben augen
frage fasching - fastenzeit für wen ist diese zäsur wirklich relevant?
oberflächliche gesellschaft
heute noch lustig bunte
verkleidungen,
konfetti, lärm und
faschingskrapfen in
allen variationen -
doch morgen ist's vorbei:
da beginnt die große fastenzeit
tatsächlich?
nimmt sie jemand noch ernst
und konzentriert sich still
im allem
dann mehr auf's wesentliche?
februar, und bald …
bisher blühen sie nicht richtig –
aber sie spitzen bereits hervor:
die schneeglöckchen, krokusse und winterlinge
und in der luft liegt
vorsichtiges vogelgezwitscher
wie sehr sehnen sich alle nach wärme!
frühlingsanfang im garten (haiku)
noch so viel kahl, doch
die hamamelisblüten
leuchten schon gelb-rot
*** (haiku)
kräftiger regen,
nach längerer trockenheit,
wäscht plötzlich die luft
winter
draußen
seit tagen nur nebel -
grau, glatt, kalt und ungemütlich,
einfach wenig licht
und innendrin so viel
sehnsucht nach sonne
neujahrsböller
in der stadt
auf den straßen
zwischen den häusern:
erst pfeift's
dann knallt's -
zugleich blitzen
bunte grelle lichtpunkte
am dunklen himmel auf,
sinken hernieder und
verlöschen schnell -
und nochmal das ganze,
und nochmal,
wie lustig!
tiere haben angst
dabei
kriegsflüchtlinge auch
danach - neblige stille und
der müll
bleibt einfach
übrig
welch ein teures
vergnügen!
ende dezember im garten (2 haiku)
sie trotzt atemhauch,
eiseskälte und schneerest:
die christrose blüht!
rosa leuchtet schon
im trüben morgennebel
der winterschneeball
weihnachtstage
am dunklen winterabend
strahlt heimeliges licht
im fenster -
durch die scheibe
verteilt großzügig seine farben
der papier-leuchtstern
und drinnen,
wie von engeln gespielt,
klingt leise musik
wäre es doch überall
so friedlich!
schritte
gestern noch
raschelte
das welke laub
unter den füßen
heute schon
knirscht
der frische schnee
oktober
noch leuchtend gelbe blüten
vor dem dunklen mauerwerk -
geschüttelt vom sturm
reckt sich einsam hoch
die königskerze
40cm neuschnee
die weiße pracht
ruht sich aus
im verzweigten
geäst der bäume
bis sie plötzlich
mit wucht
herunterstaubt
auf die spaziergänger
im park
geräuschkulisse
hier
beklagen wir uns
über autolärm
woanders
fallen bomben
im gespräch
morgen
wird alles besser –
so? von selbst?
nun,
weil wir auf morgen
hoffen…
und was geschieht
heute?
symbole der weisheit
zwei elefanten stehen beieinander
friedlich hier im regal -
handfeste grüne jade
und
kräftiger rosenquarz -
grübelnd…
woran hat hannibal
bei der überquerung der alpen
gedacht?
kunstbuch
abbildungen
als
farbiger ausdruck
eines einmaligen
eindrucks
4 haiku am see
rast – und am wegrand
glitzern im licht der sonne
so hell die steine
ob‘s wohl die mücke
nach ihrem stich in die haut
auch so gejuckt hat?
wie schnell und flirrend
über dem wasser am kiesufer
schillernd: libellen!
blau-lila leuchtend
streckt sich heute durch den zaun
eine prunkwinde
17cm orangencalcit
seine flügel
leuchten wie die sonne,
geduldig und freundlich
wirkt er, wärmend,
doch er schaut sehr nachdenklich -
was er alles so sieht
am fenster -
der engel aus stein
beim malen
eintauchen
in die farben
energie
versprühen
leuchtkraft
genießen
noch ein bisschen
korrigieren
und dann das fertige bild
willkommen heißen
sonnenfänger
auf den regenbogenfarbenen
lichtpunkten
an der wand
gehen meine träume
spazieren
***
drückende hitze -
nur ein kleines bisschen
erfrischung…
ah, der chinesische
fächer!
abreißkalender
jeden tag
ein neues blatt
in gleicher größe
aber der sommer
geht trotzdem
vorbei und die tage
werden kürzer
ausruf des kindes
ui -
die banane
hat ja
sommersprossen gekriegt!
***
saftig orange
locken mich
im einkaufskorb
die aprikosen
bildbetrachtung
schwarze striche
durchkreuzen das üppige rot
und unten versteckt sich
noch ein wenig blau –
dennoch - die leinwand
steht in flammen
alter brief
schon abgegriffen
der umschlag, eingerissen
vergilbt
aber darin
immer noch frische
gedanken
telefon
früher klobig, mit wählscheibe
in der leitung rauscht’s
selten, wichtig und teuer,
jeder anruf besonders
heute klein, nur tasten
alles digital und günstig
dazu noch spiele,
dafür permanent überall
sind wir so wirklich
erreichbar?
tod
deine augen
lichtlos
dein gesicht
wächsern
deine hände
schlaff
dein körper
schwer
so wie du daliegst -
als wolltest du
dennoch
gleich wieder
aufstehen
auf dem tisch
die stiele der blumen
lechzen nach wasser
in der noch
leeren vase
ich komme ja schon
mit der gießkanne
graue wolke am himmel
ihre oberseite
zählt die strahlen der sonne
ihre unterseite
weint
6 haiku
doch kirschblütenzeit –
in japan würde man jetzt
ein haiku schreiben
zitronenfalter
laben sich am lavendel
horch - ein kuckuck ruft!
die wäsche flattert
auf der leine im wind und
die amseln zwitschern
jetzt sitzt sie allein
an der bushaltestelle -
die alte krähe
die ersten blätter
werden schon braun und fallen
bald ist der herbst da
das ungesagte
versteckt sich hinter deinen
grau-blauen augen
***
abendwind wiegt leise
die birkenblätter
in den schlaf
sommernacht
fledermäuse
huschen durch die nacht
an unseren köpfen vorbei,
den vollmond halten
die zweige fest,
ihr laub bedeckt
seine blößen,
und glühwürmchen
irrlichtern umher,
am teich
quakt rhythmisch die kröte
gegen das grillenzirpen an
kaum hörbar: schläfrige stille
***
früher herbstnebel
schläft noch zwischen den bergen -
wie sachte die sonne
da draufschaut!
glockenklang
die ersten zarten
glockentöne
läuten sich ein
am ruhigen morgen,
nehmen an stärke zu,
ihre melodie klingt
nun bekannt
und kündet kräftig
vom feiertag
abendrückblick
wenn der tag sich neigt,
der tee dampft in den tassen,
und deine hand liegt
auf der meinen…
ritual
endlich ruhe
im dunklen zimmer
allein
in der ecke
die brennende kerze
vor der goldglänzenden ikone
daneben ein
weihrauchduftendes räucherstäbchen -
jetzt noch das abendgebet
(gott wird es hören)
und dann
gute nacht!
morgens
wie düster draußen:
wolken, regen, kühl
vielleicht doch noch
einmal umdrehen?
langsam
die augen reiben
müdigkeit sitzt
in den gliedern
der wecker
ist erbarmungslos
wach
***
ein lächeln
vom gegenüber
im bus –
der tag fängt
freundlich an